Beweidung
Klassische, extensive Weidelandschaften gehören zu den artenreichsten Lebensräumen die wir bei uns kennen und bieten aufgrund ihrer Strukturvielfalt einer Vielzahl an Tieren und Pflanzen ein Zuhause. Darüber hinaus fördert extensive Beweidung, vor allem durch Viehtritt und Dung, den Aufbau von Humus und einen lebendigen Boden. Dieser ist nicht nur widerstandsfähig, sondern kann auch mehr Wasser aufnehmen, was bei Starkregenereignissen relevant sein kann.
Aufwand
Finanziell | ||
Gestalterisch | niedrig | |
Fachliche Expertise bei der Planung | mittel | |
Fachliche Expertise beim Bau | mittel | |
Fachliche Expertise bei der Pflege | hoch |
Wir lieben Tiere, vor allem unsere Haustiere. Spendenaufrufe von Tierschutzvereinen, denen es um gute Lebensbedingungen unserer Haus- und Nutztiere geht, erreichen eine viel größere Resonanz, als wenn es um Naturschutz geht. Auch wenn es den einen oder anderen Nachbarn gibt, der sich über die Lautäußerungen von Tieren beschwert, sind Gehege mit Nutztieren ein beliebtes Ausflugsziel, vor allem für Familien mit Kindern. Es spricht also kaum etwas dagegen, Heckenscheren und Mulchmäher durch die besten Landschaftspfleger, die es gibt, zu ersetzen: weidende Tiere. Natürlich aber nur dort, wo das möglich ist.
Unsere traditionelle halboffene Kulturlandschaft mit ihrer harmonischen Mischung aus Wiesen und Weiden, freistehenden mächtigen Bäumen und Strauchgruppen hat sich durch die Haltung von Kühen, Pferden, Eseln, Ziegen, Schweinen und Schafen entwickelt und wurde durch die Haltung der Tiere erhalten. Als es noch gemeinsam bewirtschaftete Allmendweiden gab, waren die Felder von Hecken und Zäunen umgeben und das Vieh wurde frei auf den Weiden gehütet, auf denen vereinzelt Bäume und Strauchgruppen standen. Zu dieser Zeit war die biologische Vielfalt in Europa besonders hoch. Die ersten Landschaftsparks konservierten diesen Landschaftstyp, gerade zu dem Zeitpunkt als er verschwand. Damals gab es noch keine Mähmaschinen, sondern nur Sensen oder Tiere. Weidetiere (die in „ornamental farms“ gehalten wurden) waren deshalb Teil eines jeden größeren Landschaftsparks. Bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts war aber auch innerstädtische Viehhaltung noch viel häufiger. Dass diese Tiere auch auf innerstädtischen Wiesen weideten, war ein normales Bild. Heute wird das als ideale Pflege von großen innerstädtischen Grünflächen wiederentdeckt.
Einem weidenden Schaf können Insekten und andere Tiere leicht ausweichen, selbst bodenbrütende Vögel schaffen es oft, die großen Pflanzenfresser um ihre Nester herumzulenken. Weidende Nutztiere zerstören nicht nur viel weniger als Maschinen, sie versorgen über ihre immer auch unvollständige Verdauung ganze Nahrungsnetze mit Futter, nämlich die vielen Insekten, die für den Abbau von Kuhfladen und Schafskötteln zuständig sind. Beim Weidegang wird ein Teil der Pflanzen in den Boden eingetreten, der Abbau der Ausscheidungen sorgt ebenfalls dafür, dass die Reste der Pflanzen zum Aufbau von Dauerhumus beitragen. Extensive Weiden sind deshalb bessere Kohlenstoffspeicher als Wälder! Weidetiere lassen immer auch das eine oder andere stehen, das sind dann „Puppenstuben“ wo die Insektenlarven, die sich in oder an den Stängeln entwickelt haben, schlüpfen können. Auf Weiden entsteht außerdem durch Trittsiegel und Stellen, an denen Tiere sich wälzen, offender Boden, auf den Wildbienen und andere Rohbodenbesiedler als Lebensraum angewiesen sind.
Eine extensive Beweidung ist die Pflegemaßnahme, die die biologische Vielfalt besonders gut fördert. Nach der Pflege stehen die Flächen dann wieder ihrem eigentlichen Zweck zur Verfügung: Parks können wieder betreten und genutzt werden, der Tag der offenen Tür der Fima auf dem Rasen stattfinden oder das Gemeindefest auf der Kirchenwiese gefeiert werden. Ob und wo dieser Goldstandard möglich ist, muss mit den ansässigen Tierhaltern geprüft werden. Wenn es in der Nähe eine gehütete Schafherde gibt, dann ist dieser Betrieb der erste Ansprechpartner. Die Flächen müssen nur groß genug sein, damit es nicht zur Gefährdung von Tier und Mensch, zum Beispiel an Verkehrswegen kommt. Außer die Tiere sind dann unter Aufsicht und gut geschützt und können so gelenkt werden, dass ein optimales Pflegeergebnis entsteht. Alternativ können die Flächen mit Elektrozäunen eingepfercht werden. Da die Tiere dann unbeaufsichtigt sind, kann es zu Konflikten mit freilaufenden Hunden oder auch Menschen kommen, die die Tiere erschrecken und gegebenenfalls durch die Zäune scheuchen. Für diesen Ansatz kommen also große historische Parks oder Friedhöfe, aber auch ungenutzte Flächen in Gewerbegebieten in Frage. Es gibt sogar erste Experimente mit Beweidung von Dachbegrünungen.
Zeitpunkt und Häufigkeit der Beweidung sollten von einer fachkundigen Person in enger Zusammenarbeit mit dem landwirtschaftlichen Betrieb geplant werden. Bei historisch artenreichen und eher mageren Flächen reichen ein bis zwei Nutzungen im Jahr. Strauchgruppen, die aus gestalterischen Gründen oder um Vogelbruten zu schützen, ausgezäunt werden müssen, werden ebenfalls gemeinsam bestimmt. Wenn die Flächen nährstoffreich und von Gräsern dominiert sind, dann ist eine frühe Beweidung im April/Mai sehr vorteilhaft, weil dies die Wuchskraft der Gräser, aber nicht der blühenden Wildkräuter hemmt.
Die Tiere werden sehr viele Menschen erfreuen. Eine intensive Öffentlichkeitsarbeit sollte Bürgerinnen und Bürger auf die neuen Mitbewohner vorbereiten und dafür sorgen, dass die Tiere an ihrem ungewöhnlichen Arbeitsort stressfrei tätig werden können. Die Menschen dürfen die Tiere beobachten und genießen, das ist aber nicht der Hauptzweck dieser Art der Pflege.
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